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Mehr Schulsport für mehr Bewegung

Der Sportorthopäde Thomas Seeböck-GöbelWenn es nach ihm ginge, würde der Schulsport in Deutschland eine klare Aufwertung erfahren: Mindestens fünf Stunden Sport im Wochenstundenplan – statt der üblichen drei hält Thomas Seeböck-Göbel für angebracht.

Seine Forderung nach viel mehr Sportunterricht begründet er wie folgt: „Es gibt viele Familien, in denen die Eltern den Kindern vorleben, dass regelmäßige sportliche Aktivitäten zu einem gesunden Leben dazu gehören. In der Regel übernehmen die Kinder in diesen Familien das Verhalten ihrer Eltern und treiben auch regelmäßig Sport. Es gibt aber noch viel mehr Familien, in den Sport bei Eltern und Kindern leider gar keine Rolle spielt. Das hat zur Folge, dass sehr viele Kinder mit einem bedenklichen Maß an Bewegungsmangel heranwachsen.“

Negative Entwicklung verhindern

Um in diesem Bereich unserer Gesellschaft eine negative Entwicklung zu verhindern und konstruktiv entgegen zu wirken, muss nach Ansicht des Sportorthopäden mehr Sport in die Schule. Außerdem sollte eine „... neue Mischung aus Gesundheitsaufklärung und Motivationsvermittlung zu sportlicher Betätigung in den Unterricht aufgenommen werden.“ Die lateinische Redewendung, nach der „ein gesunder Geist in einem gesunden Körper wohnt“ will unser Gesprächspartner nicht in Vergessenheit geraten lassen. 1967 in Neckarsulm geboren, arbeitet der Sportorthopäde seit 2013 als Leitender Oberarzt in der Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Wirbelsäulenchirurgie an den Neckar-Odenwald-Kliniken in Mosbach. Er wohnt mit seiner Familie in Obersulm bei Heilbronn und gehört mit allen Familienmitgliedern zu dem Menschenschlag, der sich gerne bewegt: „Wir sind mit der ganzen Familie oft im Freien, in der Natur. Wir wandern gerne und nutzen unsere Fahrräder für viele Touren.“

Was ein Sportorthopäde macht

Richtig dosiertes Training und sportlicher Wettkampf fördern Kraft und Beweglichkeit. Foto: SchreiberGrimm Werbeagentur GmbH

Zunächst erklärt uns Herr Seeböck-Göbel, was ein Sportorthopäde eigentlich macht: „Wir behandeln alle Verletzungen und Einschränkungen des Bewegungsapparates, die im Zusammenhang sportlicher Betätigung au reten. Hinsichtlich der Häufigkeit der Fälle stehen dabei Knie- und Sprunggelenkverletzungen ganz oben. Aber auch Gelenk- und Muskelprobleme sowie Knochenbrüche gehören häufig dazu.“ Warum er diese Berufswahl getroffen hat, beantwortet er wie folgt: „Mein Berufswunsch entwickelte sich in der Jugend ohne besonderen Hintergrund. Vielleicht hatte es damit zu tun, dass ich bis zu meinem 35. Lebensjahr begeistert Handball spielte und dabei das Interesse am Bewegungsapparat, an optimierten Bewegungsabläufen, an Verletzungsrisiken, Heilung und gesunder Ernährung entstand. Ich hätte mir aber auch vorstellen können, Kinderarzt zu werden. Von meinen Eltern kamen dabei keinerlei Enflüsse. Mein Vater war Konditor und gab mir das gute Motto mit auf den Weg: ‚Du kannst alles machen. Du musst es nur wollen. Es folgte ein Medizinstudium in Heidelberg, dann die Jahre als Assistenzarzt an verschiedenen Kliniken und schließlich die Spezialisierung zum Sportorthopäden.“
Herr Seeböck-Göbel ist nun mehr als 20 Jahre in seinem Beruf tätig. Wir fragen ihn, was seiner Ansicht nach in den letzten zwei Jahrzehnten die größten Fortschritte waren, die er in seinem Fach erlebt hat. Er zögert nicht lange: „Da fällt mir sofort die MRT-Diagnostik ein, ausgeschrieben ‚Magnetresonanzto- mographie’. Dieses bildgebende Verfahren ist inzwischen sehr verfeinert und äußerst genau in der Darstellung. Heute können wir viel schneller und besser als vor zehn oder zwanzig Jahren erkennen, wo Schäden oder krankhafte Veränderungen vorliegen. Damit lässt sich heute auch viel gezielter und schneller therapieren. Der zweite große Fortschritt, den ich sehe, ist die minimalinvasive Gelenkchirurgie, auch als Schlüsselloch-Chirurgie bekannt. In den vergangenen zehn bis fünfzehn Jahren ist es flächendeckend möglich geworden, auch große Gelenke, wie zum Beispiel das Hüftgelenk, mit kleinsten Zugängen erfolgreich zu operieren. Das hat viele Vorteile für die Patienten: Es wird weniger Gewebe verletzt als bei großen Zugängen. Heilung und Reha gehen dadurch schneller. Die Patienten haben weniger Schmerzen und brauchen weniger Schmerzmittel.“

Wann Gelenk-OPs ratsam sind

Das Stichwort „Schmerz“ ist eine gute überleitung zum nächsten ema: Viele Patienten sind bei Arthrose und Gelenkschmerzen in Schulter, Hüfte und Knie sehr unsicher, ob und zu welchem Zeitpunkt eine Operation angebracht ist. Der Satz von den „fünf ärzten und zehn Meinungen“ wurzelt auch in diesem Bereich, wobei das diesbezügliche Statement des Orthopäden Seeböck-Göbel unseres Erachtens Beachtung verdient. Er sagt: „Schauen wir uns zunächst einmal die Zahlen an, um zu sehen, wie groß das Feld ist, über das wir hier reden: In Deutschland leiden etwa fünf Millionen Frauen und Männer unter Beschwerden, die durch eine Arthrose verursacht werden, mit steigender Tendenz. Am häufigsten betroffen sind Hände, Knie und Hüften, aber auch alle anderen Gelenke können befallen sein. Ab dem 60. Lebensjahr sind gut die Hälfte der Frauen und ein Drittel der Männer betroffen. Durch die Fortschritte der Medizintechnik können künstliche Gelenke immer zuverlässiger und länger anhaltend zu Schmerzreduktion, Schmerzfreiheit und mehr Beweglichkeit führen. So haben allein in Deutschland bereits heute über drei Millionen Menschen ein künstliches Gelenk. Derzeit werden in Deutschland jährlich etwa 200.000 künstliche Hüftgelenke, 150.000 künstliche Kniegelenke sowie 12.000 künstliche Schultergelenke eingesetzt. So die Deutsche Arthrose Hilfe e.V. die Situation.
Da es bei solch großen Fallzahlen auch Patienten gibt, die mit den künstlichen Gelenken weniger gut zurechtkommen, ist bei der Komplexität eines Gelenks und seiner Funktionen nicht sehr verwunderlich. Ich kann deshalb den öfter zu hörenden Wunsch, bis zur Entscheidung für eine Gelenk-OP möglichst lange zu warten, gut nachvollziehen. Wobei ein allzu langes Warten auch Risiken mit sich bringt. Mein persönliches Vorgehen in diesem Zusammenhang: Ich lege zunächst großen Wert darauf, unsere Arthrose-Patienten ausführlich zu untersuchen und zu beraten. Eine pauschale Antwort, ab wann und bei welchen Röntgenbildern zu operieren ist, gebe ich in keinem Fall. ähnliche Röntgenaufnahmen von zwei unterschiedlichen Patienten haben bisweilen ganz andere subjektive Beschwerdebilder: Bei deutlicher Arthrose auf dem Bild können sich einige Patienten noch nahezu beschwerdefrei bewegen, andere haben große Schmerzen. Wir bemühen uns hier also zunächst, ein möglichst genaues Bild vom Patienten und dessen Beschwerdebild zu gewinnen. Wir beobachten, wie er geht, läuft, belastet, wann und bei welchen Belastungen er Schmerzen und Schmerzgrade äußert. Zusammen mit den Röntgenbildern ergibt sich dann ein Beratungsansatz, der nicht immer in den Ratschlag zu einer Operation mündet.

Zu einem positiven Lebensgefühl

Beim Sport werden viele Gelenke, Muskeln und Sehnen strapaziert. Auf das richtige Maß und die Anerkennung von Grenzen ist dabei besonders zu achten, um die Verletzungsgefahr niedrig zu halten. Foto: SchreiberGrimm Werbeagentur GmbH

Das ist ärztlicherseits eine zeitaufwendige Herangehensweise, die uns von den Patienten aber immer wieder gedankt wird. Denn die Patienten merken, dass wir sie in ihrer individuellen Situation mit Zuwendung und Aufmerksamkeit ernst nehmen. Unsere Therapievorschläge münden deshalb auch nicht immer in Empfehlungen zu einem Gelenkersatz. Allerdings legen wir Operationen ausdrücklich nah, wenn Folgeschäden drohen oder sich schon andeuten, weil Schonhaltungen zu Muskelverkürzungen und Muskelschwund geführt haben. In solchen Situationen drohen Koordinationsprobleme und ein erhöhtes Sturzrisiko. Auch eine hohe Schmerzintensität legt eine Operation nahe, denn große Schmerzen, die Tag für Tag au reten, mindern die Lebensqualität und die psychische Kraft doch erheblich. Da können Operationen zu einem ganz neuen und positiven Lebensgefühl führen. Außerdem sind die so genannten ‚Standzeiten’ der Prothesen inzwischen schon auf 18-20 Jahre ausgedehnt. Man hat nach der OP mit einer Prothese in den meisten Fällen also erst einmal sehr lange seine Ruhe, dies bei großer Beweglichkeit und erheblicher Reduktion der Schmerzen.“ Die Frage, was er von seinem Beruf am wenigsten erwartet hätte, beantwortet Thomas Seeböck-Göbel wie folgt: „Ich mache meine Arbeit nach wie vor sehr gerne und gebe das dabei erworbene Wissen auch gerne weiter. Mit was ich aber nicht gerechnet habe, und was mich befremdet, ist eine manchmal zu erlebende Patientenerwartung, die mich an eine Autowerkstatt erinnert. Da kommen Leute mit Beschwerden und erwarten eine vollständige Wiederherstellung, am besten mit Garantie.

Kooperation mit dem Badischen Sportbund

Seit einigen Jahren kooperiert Thomas Seeböck-Göbel mit dem Badischen Sportbund bei der Fortbildung von Trainern und übungsleitern. Im Rahmen von Vorträgen und Kursen gibt er wichtige Aspekte seines Wissens an Personen weiter, die beim Sport anleiten und Aufsicht ausüben. Unser Gesprächspartner opfert mit diesen Aktivitäten unentgeltlich viele Stunden Freizeit. Er versteht sein diesbezügliches Engagement als persönlichen Beitrag zur Förderung von „Gesundheit durch und beim Sport“.

Training mit Maß und Ziel

War am Anfang unseres Gesprächs viel von „wichtiger Animation und Motivation zur sportlichen Betätigung“ die Rede, so geht es dem Sportorthopäden in diesem Zusammenhang eher um Mäßigung und die Respektierung von Grenzen. Nach eigenen Worten möchte Seeböck-Göbel seinen Zuhörern und Kursteilnehmern „einen Blick und ein gutes Auge für das Training mit Maß und Ziel geben. Ich habe oft überlastete Gelenke zu behandeln und würde den Zuruf ‚Einer geht noch!’ gerne ändern in die Warnung ‚Einer ist genau einer zu viel!“ Das Maßhalten ist also eine Devise, die ich weitergebe, weil ich weiß, welche gesundheitlichen Risiken sich mit übertriebenem Ehrgeiz verbinden. In gleichem Zusammenhang weise ich Trainer und übungsleiter auch gerne darauf hin, dass behandelte Gelenke ausreichend Zeit zur Wiederherstellung benötigen. Dabei begegnet mir immer wieder das hartnäckige Vorurteil, demzufolge „...eine gute und starke Muskulatur das Gelenk hält und dessen Funktion übernehmen kann“. Das ist einfach falsch. Die Muskulatur im Gelenkbereich ist zwar ein wichtiger Stabilisator, aber nicht in der Lage, Bänder und Gelenke zu ersetzen. überall, wo Kraft und schnelle Drehbewegungen zusammenkommen, wie es beim Handball, Fußball, Tennis, Hockey und anderen Ballsportarten der Fall ist, sind funktionstüchtige und gesunde Gelenke unerlässlich.“

Vorträge und Kurse

Bei seinen Vorträgen und Kursen, die auf den Internetseiten www.sportkreis-mosbach. de, www.sportkreis-buchen. de mit Terminangaben einzu-sehen sind, geht es also nicht allein um Motivation und Ani-mation, sondern auch um ein angemessenes Gefühl für ausreichende Regenerationszeiten sowie um Beschränkung statt übertreibung. Zusammengefasst geht es ihm dabei: „... um die Vermeidung von körperlichem Verschleiß und von Verletzungsgefahren sowie um das Erhalten von Spaß am Sport und der Möglichkeit, ihn regelmäßig und bis ins Alter ausüben zu können.“

Zum Thema „Erstmaßnahmen nach Sportverletzungen – was ist richtig? was ist falsch?“ referiert ThThomas Seeböck-Göbel im Rahmen einer Veranstaltung des Badischen Sportbundes am Mittwoch, 22. November, 18.30 Uhr, im Krankenhaus Mos-bach, Konferenzraum UG. Die Veranstaltung richtet sich an Trainer, übungsleiter, Sportler sowie an ein allgemein interessiertes Publikum. Kostenloser Eintritt.

 

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