Schlüsselbeinbruch (Claviculafraktur)
Die Claviculafraktur (Schlüsselbeinbruch) ist ein sehr häufiger Knochenbruch und macht etwa 5% aller Frakturen aus.
Das Schlüsselbein ist ein schlanker, s-förmiger Knochen, der den Brustkorb mit der Schulter verbindet, und liegt recht oberflächlich – daher wird es bei Traumen leicht verletzt. Etwa die Hälfte der Schlüsselbeinbrüche tritt bei Kindern und Jugendlichen auf (oft unter 10 Jahren, z.B. beim Sturz vom Klettergerüst oder Fahrrad), aber auch Erwachsene erleiden häufig Claviculafrakturen, insbesondere junge Sportler (Radfahrer, Mountainbiker, Skater) oder im Rahmen von Verkehrsunfällen.
Der häufigste Entstehungsmechanismus ist ein Sturz auf die Schulter: Zum Beispiel Radfahrerrinnen und Radfahrer, die über den Lenker stürzen und mit der Schulter auf den Boden aufprallen, oder eine Fußballspielerin oder ein Fußballspieler, der auf die Seite fällt, trifft mit der Schulter zuerst auf. Die Kraft wird auf die Klavikula übertragen und führt oft zu einem Bruch im mittleren Bereich des Knochens. Indirekt kann auch ein Sturz auf den ausgestreckten Arm mit Schultereinwirkung die Clavicula brechen, da das Schlüsselbein als einzig knöcherne Verbindung zum Rumpf die Stoßenergie abfangen muss. Direkte Gewalt auf das Schlüsselbein – etwa ein Schlag, Stoß oder ein Aufprall (z.B. Sicherheitsgurt im Autounfall, der über die Clavicula verläuft) – kann ebenfalls zu einer Fraktur führen, oft an der Aufschlagstelle. Schon relativ geringe direkte Gewalt kann ausreichen, da das Schlüsselbein wie ein gespannter Bogen zwischen Brustbein und Schulterblatt liegt; ein gezielter Schlag kann es brechen.
Abhängig von der Kraftrichtung entstehen unterschiedliche Bruchformen: Bei lateral einwirkender Kraft (Schulter von vorne getroffen) bricht häufig die Mitte der Clavicula, da dort das widerstandsschwächste Segment ist – tatsächlich sind ca. 80% der Claviculafrakturen im mittleren Drittel (Allman Typ 1). Bei einem Sturz genau auf die Schulterspitze kann der Bruch auch im äußeren (lateralen) Drittel erfolgen (Allman Typ 2, ~15%), insbesondere wenn die Bandverbindungen zum Schulterblatt überstrapaziert werden. Seltener (ca. 5%) ist ein Bruch im inneren (medialen) Drittel nahe dem Brustbein (Allman Typ 3), was meist bei direktem Aufprall von vorne auf die Brust/Schulterregion geschieht oder bei einem kräftigen Zug, etwa durch einen Sicherheitsgurt.
Erwähnenswert: Bei Neugeborenen kann eine Claviculafraktur auch als Geburtstrauma auftreten – dies ist sogar der häufigste Knochenbruch bei der Geburt, z.B. bei schwierigen Entbindungen mit Schulterdystokie. Diese Frakturen verheilen bei Säuglingen jedoch fast immer problemlos und bedürfen oft keiner speziellen Therapie außer Schonung.
Insgesamt lässt sich sagen: Sturz auf die Schulter ist der Klassiker. Daher treten Schlüsselbeinbrüche häufig bei Radfahrern, Reitern, Kontaktsportarten (Ringen, Rugby) und anderen Sportarten mit Sturzrisiko auf. Auch einfache Haushaltsstürze bei älteren Menschen können eine Claviculafraktur bewirken, aber seltener als Distale Radiusfrakturen – eher bricht bei Älteren der proximalen Humerus oder die Hüfte, während Clavicula eher typisch für jüngere, aktivere Patientinnen und Patienten ist.
Der Verdacht auf eine Claviculafraktur ergibt sich meist schon aus der körperlichen Untersuchung und dem Unfallmechanismus. Typische Zeichen sind Schmerzen im Bereich des Schlüsselbeins, oft direkt über der Fraktur spürbar, und eine Schonhaltung: Der Patient hält den Arm angewinkelt am Körper und stützt ihn evtl. mit der anderen Hand (um die Schulter zu entlasten). Man sieht häufig eine Schwellung oder einen Bluterguss über dem Schlüsselbein. Bei verschobenen (dislozierten) Brüchen ist oft eine Stufenbildung oder ein „Knochenbuckel“ tastbar oder sichtbar an der Frakturstelle – manchmal steht ein Fragment spitz vor (aber die Haut ist in der Regel intakt). Der Schultergürtel auf der betroffenen Seite kann nach unten und vorn abgesackt wirken, weil das intakte Schlüsselbein normalerweise die Schulter etwas hoch- und hinten hält; bei Fraktur zieht der Arm durch sein Gewicht nach unten, was man an ungleichen Schulterhöhen sehen kann.
Wichtig ist die Überprüfung der Durchblutung und Innervation des betroffenen Arms: Verläuft die Fraktur sehr medial, kann sie in der Nähe verlaufende Gefäße (Vena und Arteria subclavia) oder das Geflecht der Armnerven (Plexus brachialis) gefährden. In den allermeisten Fällen sind Gefäß-Nerven-Strukturen aber unversehrt, da sie unter dem Schlüsselbein gut geschützt liegen. Dennoch tastet man den Puls der A. radialis, prüft die Motorik und Sensibilität im Arm, um z.B. eine seltene Plexusverletzung auszuschließen. Bei sehr weit lateral gelegenen Brüchen nahe dem Schultereck (laterale Klavikulafraktur) achtet man auf die Integrität des AC-Gelenks (Schultereckgelenk) und der korakoklavikulären Bänder, da hier bei Begleitverletzungen ein Klaviertastenphänomen (hochstehendes äußeres Schlüsselbeinende) auftreten kann.
Die sichere Diagnose erfolgt mittels Röntgen: Eine Röntgenaufnahme der Clavicula in zwei Ebenen (meist eine gerade und eine schräg/halbschräg oder 20° cranial angekippt) zeigt den Bruch. Man beurteilt die Lokalisation (mediales, mittleres oder laterales Drittel), den Dislokationsgrad (verschoben, verkürzt, abgekantet?) und ob es ein einfacher Bruch oder eine Mehrfragmentfraktur ist. Besonders bei lateralen Drittelfrakturen schaut man auf die Position der Fragmente: Hier kann die Frage sein, ob die Bänder am Coracoid intakt sind (dann wenig Fragmentverschiebung) oder gerissen (dann ausgeprägte Fragmentdistanz, instabile Fraktur). Gelegentlich wird ergänzend ein CT des Schultergürtels gemacht, z.B. wenn die Fraktur sehr nahe am Sternoclaviculargelenk (medial) liegt – dort ist es manchmal schwer, im Röntgen das genaue Bruchbild zu sehen, und ein CT hilft zu entscheiden, ob das Sternoklavikulargelenk luxiert ist oder wie die Fragmente stehen. Bei lateralem Schlüsselbeinbruch kann ein CT ebenfalls hilfreich sein, um Gelenkbeteiligung am AC-Gelenk und die Fragmentlage zu beurteilen.
Die Klassifikation erfolgt häufig nach Allman (wie oben erwähnt):
- Gruppe I: mittleres Drittel (häufigste, ca. 80%),
- Gruppe II: laterales Drittel (distal, ca. 15%),
- Gruppe III: mediales Drittel (proximal, ca. 5%).
Für laterale Frakturen gibt es zusätzlich die Neer- bzw. Jäger und Breitner Klassifikation, die berücksichtigt, ob Bänder gerissen sind. Einfach ausgedrückt:
- Neer Typ I: lateral der Bänder, stabil (Fragmente bleiben aneinandergenähert).
- Neer Typ II: zwischen den Bandansätzen, instabil (eine Variante mit Ruptur des Conoidbandes führt zum Hochstand des inneren Fragments, etc.).
- Neer Typ III: Gelenkbeteiligung am AC-Gelenk (selten).
Diese Details sind für die Entscheidungsfindung konservativ vs. operativ relevant, weil instabile laterale Frakturen eher operiert werden.
Außerdem wird die Dislokation beschrieben: nicht disloziert (weniger als eine Knochenbreite Verschiebung) versus disloziert (> eine Schaftbreite überlappend verschoben). Starke Verkürzung und Überschiebung können zu unschöner Heilung (Malunion) oder Pseudarthrose führen, während nicht dislozierte Frakturen fast immer gut heilen.
Traditionell wurden die meisten Claviculafrakturen konservativ behandelt, da das Schlüsselbein eine sehr gute Spontanheilungstendenz hat. Auch heute noch ist in der Mehrzahl der Fälle die nicht-operative Therapie der Standard, insbesondere bei Kindern und bei Erwachsenen mit nicht verschobenen oder nur gering dislozierten Brüchen.
Die konservative Therapie besteht in der Ruhigstellung der Schulter und des Arms, um die Bruchstücke möglichst wenig zu bewegen und dem Knochen die Chance zum Zusammenwachsen zu geben. Klassischerweise wird ein Rucksackverband angelegt – das ist ein Verband in Form einer Acht um beide Schultern, der die Schultern nach hinten zieht. Durch dieses Zurückziehen werden die Schlüsselbeinfragmente einander angenähert und in Achse gehalten. Der Rucksackverband wird stramm eingestellt und dann regelmäßig kontrolliert (in der ersten Woche täglich, später in größeren Abständen). Wichtig ist, Druckstellen zu vermeiden; Polster an den Achseln schützen Nerven und Gefäße davor, abgedrückt zu werden. Alternativ verwenden manche Ärzte auch einfach einen Gilchrist-Verband (Armtragetuch mit Brustgurt), der den Arm an den Körper fixiert – dieser hält allerdings die Schultern nicht so gut zurück, kann aber bei leichten Frakturen oder bei Unverträglichkeit des Rucksackverbands eingesetzt werden.
Der Rucksackverband wird üblicherweise etwa 3–4 Wochen belassen. Bei Kindern oft kürzer, da deren Knochen schneller heilen (2–3 Wochen können ausreichen). In dieser Zeit sollten die Patienten im schmerzfreien Maß die Arme bewegen: insbesondere Schulterbewegungen sind erlaubt und erwünscht, soweit es der Schmerz zulässt, um einer Einsteifung vorzubeugen. „Schmerzadaptiert mobilisieren“ heißt z.B., leichte Pendelbewegungen oder Vorheben bis 90° sind in Ordnung, solange es nicht stark schmerzt. Aktives Überkopfheben wird natürlich vermieden, ebenso Belastung des Arms. Die Finger und der Ellbogen bleiben frei und werden sowieso bewegt.
Nach 3–4 Wochen macht man ein Röntgen zur Kontrolle. In vielen Fällen sieht man schon Kallus (neuen Knochen) bilden. Dann kann der Rucksackverband entfernt werden. Falls die Fraktur dann noch nicht fest ist, wird manchmal noch für 1–2 Wochen ein einfacher Verband oder eine Schlinge zur Sicherheit angelegt. Sobald der Knochen ausreichend fest ist (klinisch weniger Druckschmerz, radiologisch Kallus erkennbar), beginnt die aktive Mobilisierung: Der Patient soll nun zunehmend die Schulter bewegen – erst assistiv (unterstützt), dann aktiv. Physiotherapie wird oft verordnet, um die Schulterbeweglichkeit vollständig zurückzugewinnen, da nach Wochen der Schonung oft eine gewisse Steifigkeit in Schulter oder Schulterblattgelenken bestehen kann. Auch die Muskelkräftigung (insbesondere der Schultermuskulatur) ist Teil der Nachbehandlung, da durch die Ruhigstellung die Muskeln (v.a. der Delta- und Rautenmuskel) etwas erschlaffen.
In der konservativen Behandlung sollte ebenfalls auf Haltungsschulung geachtet werden: Patienten neigen anfangs dazu, die Schulter nach vorne fallen zu lassen (Schonhaltung). Mit Physiotherapie wird trainiert, die Schulter wieder normal zu positionieren.
Die Heilungszeit einer Claviculafraktur beträgt konservativ etwa 6 Wochen bis zum knöchernen Zusammenwachsen, und weitere einige Wochen bis zur vollen Belastbarkeit. Leichte Tätigkeiten (z.B. Schreibtischarbeit) sind oft schon nach 1–2 Wochen wieder möglich mit dem Verband. Das Tragen schwerer Lasten oder Sport wird erst nach etwa 3 Monaten wieder erlaubt, wenn der Knochen komplett stabil und belastbar ist.
Erfolgsaussichten: Die Mehrheit der konservativ behandelten Schlüsselbeinbrüche heilt knöchern in guter Stellung aus. Besonders bei Kindern und Jugendlichen ist das Ergebnis exzellent; selbst wenn eine kleine Fehlstellung bleibt, remodelliert sich der Knochen oft wieder. Bei Erwachsenen kann es allerdings in einigen Fällen zu Problemen kommen, etwa: Pseudarthrose (Ausbleiben der Heilung) bei ca. 1–5% der Fälle, insbesondere wenn die Fragmente stark auseinanderstanden oder die Ruhigstellung unzureichend war; oder es heilt in verkürzter Position zusammen, was selten Schulterprobleme (z.B. muskuläre Dysbalance) verursachen kann. Früher nahm man leichte Verkürzungen in Kauf – neuere Studien deuten jedoch an, dass Verkürzungen > 1–2 cm funktionelle Auswirkungen haben können. Daher wird heutzutage bei starker Verkürzung oder grosser Fragmentabstand tendenziell eher operiert, um eine exakte Ausheilung zu erzielen.
Zusammenfassend ist die konservative Therapie bei geschlossenen, wenig verschobenen Claviculafrakturen die erste Wahl: Rucksackverband für einige Wochen, frühzeitige Mobilisation im schmerzarmen Rahmen, engmaschige Kontrolle. Bei Kindern nahezu immer konservativ, bei Erwachsenen abhängig von Dislokation. Das Vorgehen ist einfach und vermeidet OP-Risiken – muss aber genau überwacht werden, um Fehlheilungen rechtzeitig zu erkennen.
In bestimmten Situationen ist auch beim Schlüsselbeinbruch eine Operation angezeigt oder vorteilhaft. Absolute OP-Indikationen sind relativ selten, beschränken sich aber auf Fälle wie offene Frakturen (wo der Knochen durch die Haut schaut oder die Haut zu perforieren droht – man will hier die Fragmente intern fixieren und die Haut verschließen) sowie Frakturen mit neurovaskulären Verletzungen (wenn Nerven oder Gefäße durch Bruchstücke verletzt oder gefährdet sind, muss operativ eingegriffen werden). Droht ein scharfes Fragment die Haut von innen zu durchstoßen (Hautdurchspießung), wird dies ebenfalls als OP-Grund gesehen, da eine solche „Imminent open fracture“ besser intern fixiert wird, bevor die Haut aufgeht.
Daneben gibt es relative OP-Indikationen, die heute häufiger genutzt werden als früher: stark dislozierte Frakturen – z.B. wenn die Knochenenden um mehr als eine Schaftbreite aneinander vorbei verschoben sind oder ein großes Fragmentabstand besteht –, deutliche Verkürzung des Schlüsselbeins (> 2 cm), Trümmerfrakturen (viele Bruchstücke, instabile Situation), und bestimmte laterale Drittel-Frakturen bei denen die Bänder rupturiert sind (sogenannte instabile Neer Typ-II Frakturen). Auch Fraktur der Klavikula beidseits (selten, z.B. Sturz frontal, beide Seiten gebrochen) ist ein Fall für OP, da der Patient sonst gar keinen Arm belasten kann. Letztlich fließt auch der Anspruch des Patienten ein: Ein Athlet oder körperlich schwer Arbeitender tendiert eher zur OP, um schnellere und stabilere Rehabilitation zu gewährleisten.
Ziel der Operation ist es, die Knochenstücke anatomisch auszurichten und mit einem Implantat stabil zu fixieren, sodass eine sofortige Stabilität erreicht wird und der Knochen in korrekter Stellung heilen kann. Die am häufigsten verwendete Methode ist die Plattenosteosynthese. Dabei wird über einen Schnitt über dem Schlüsselbein (häufig etwa längs oder leicht schräg entlang der Hautspannungslinien) der Bruch aufgesucht, die Fragmente werden aneinandergereiht (Reposition) und dann eine vorgeformte Metallplatte (Titan oder Stahl) mit Schrauben auf dem Knochen befestigt. Für die mittleren Schaftfrakturen nimmt man meist 6–8-Loch Platten, die oben auf dem Knochen (superior) oder leicht vorne-unten (anteroinferior) anliegen. Moderne Platten sind oft winkelstabil, was gerade bei Osteoporose mehr Halt gibt. Teilweise können auch minimalinvasive Techniken genutzt werden: z.B. eine kleine Inzision an jedem Ende und die Platte tunneln (sogenannte MIPO-Technik). Bei lateralen Frakturen kann eine spezielle Hakenplatte verwendet werden – diese hat einen Fortsatz, der unter das Schulterdach (Acromion) greift und so das äußere Fragment runterzieht und fixiert. Alternativ kommen bei lateralen Frakturen auch Fadenanker-Techniken (z.B. TightRope®) mit Bandzügelung zum Einsatz, insbesondere wenn Bänder gerissen sind – aber Platten sind häufiger. Mediale Frakturen werden seltener operiert; wenn doch, meist mit Platten ähnlich wie Schaftfrakturen, aber die Nähe zu Gelenk und Gefäßen macht es anspruchsvoller.
Eine andere Osteosyntheseoption für die Clavicula ist die intramedulläre Fixation, z.B. mittels elastischer Nägel (ESIN) oder starrer Pins. Hierbei wird ein Metallstift über einen kleinen Zugang in den Markraum der Clavicula eingeführt und quer durch den Bruch geschoben, sodass er die Fragmente von innen schient. Diese Methode ist minimalinvasiver (kleinere Narben) und hat in einfachen Brüchen gute Ergebnisse. Allerdings ist sie weniger geeignet für sehr Trümmerhafte oder extrem verkürzte Frakturen, und das Implantat kann an den Enden irritieren (manchmal schaut es am Knochenende etwas raus und muss entfernt werden).
Nach erfolgreicher Osteosynthese überprüft man die Durchblutung des Arms (da beim Schrauben setzen theoretisch Verletzungen möglich waren, wobei das sehr selten passiert) und macht ein Röntgenbild, um die Plattenlage zu kontrollieren.
Die Vorteile der operativen Versorgung sind eine exakte Wiederherstellung der Länge und Achse des Schlüsselbeins und eine sofortige Stabilität: Die Fragmente sind fixiert, was meist eine schnellere Schmerzreduktion und Mobilisation erlaubt. Die Patientinnen und Patienten müssen keine 3 Wochen Rucksackverband ertragen, was Komfortgewinn bedeutet. Zudem reduziert die Operation das Risiko einer Pseudarthrose deutlich bei sehr dislozierten Brüchen und kann kosmetisch ein besseres Ergebnis liefern (weniger Kallus-Knochenwulst, dafür aber natürlich eine Narbe). Die Nachteile sind die üblichen OP-Risiken: Infektion, Narkoserisiko, mögliche Verletzung von Strukturen (selten Pneumothorax, da die Lungenspitze in der Nähe sein kann, oder Nervenreizung), und die Notwendigkeit einer zweiten OP zur Implantatentfernung in manchen Fällen (viele Platten können aber auch belassen werden, wenn sie nicht stören).
Heutzutage tendiert man eher dazu, junge, aktive Patientinnen und Patienten mit deutlich verschobenem Schlüsselbeinbruch zu operieren, um schnell wieder Belastbarkeit zu erreichen und einem tastbar verkürzten Schlüsselbein vorzubeugen. Ältere Patientinnen und Patienten oder minimal verschobene Frakturen behandelt man in der Regel weiterhin konservativ.
Nach einer Schlüsselbeinfraktur richtet sich die Nachbehandlung wiederum nach dem Therapieweg.
Konservativ: Patientinnen und Patienten mit Rucksackverband werden, wie erwähnt, etwa 3–4 Wochen damit behandelt. Während dieser Zeit erfolgen engmaschige Kontrollen der Verbandlage (anfangs täglich, später alle paar Tage), um sicherzustellen, dass der Verband straff genug ist und keine Druckstellen macht. Nach Abnahme des Verbandes (nach ~4 Wochen) beginnt die funktionelle Therapie. In den ersten Tagen nach Verbandabnahme fühlt sich der Patient oft unsicher, da das Schlüsselbein noch nicht 100% fest ist – hier kann ein Gilchrist-Verband (Schlinge) für 1–2 Wochen zur Übergangszeit gegeben werden. Die Schulter sollte aber zügig mobilisiert werden. Physiotherapie wird verordnet, um das Schultergelenk durchzubewegen (Elevation, Rotation) und das Schulterblatt zu mobilisieren. Anfangs sind die Bewegungen vielleicht auf 90° begrenzt, aber innerhalb von weiteren 2–4 Wochen ist meist der volle Bewegungsumfang wieder erreichbar. Kraftaufbauübungen (Theraband etc.) werden nach etwa 6 Wochen gestartet, wenn die knöcherne Konsolidierung fortgeschritten ist. Röntgenkontrollen erfolgen typischerweise nach 4 Wochen (beim Verbandswechsel/-abnahme) und nach ca. 6–8 Wochen, um die Heilung zu bestätigen. Wenn nach 8 Wochen Kallus sichtbar und keine abnorme Beweglichkeit mehr da ist, gilt die Fraktur als verheilt. Danach darf der Patient langsam wieder Belastungen aufnehmen – z.B. nach 8 Wochen leichtes Heben, nach 12 Wochen volle sportliche Aktivität. Jeder Patient heilt etwas unterschiedlich; man tastet sich heran, dass keine Schmerzen bei Belastung auftreten.
Operativ: Nach Plattenosteosynthese einer Claviculafraktur ist das Frakturgebiet sofort stabil, aber die Weichteile (Muskeln, Haut) müssen heilen. In den ersten Tagen wird daher meist ein Gilchrist-Verband oder eine Armschlinge zur Ruhigstellung angelegt. Meist wird empfohlen, diesen für etwa 1–2 Wochen konsequent zu tragen (außer zur Physiotherapie). Während dieser Phase bewegt der Patient aber schon Ellbogen, Hand und leichte Schulterpendelübungen, um die Gelenke beweglich zu halten. Ab dem 4. Tag bis zur 4. Woche postoperativ beginnt dann eine aktiv-assistive Mobilisation der Schulter bis etwa 90° Elevation/Abduktion unter Physiotherapie. Das heißt, der Patient darf den Arm bis Schulterhöhe anheben mit Hilfe der anderen Hand oder des Therapeuten, aber noch nicht darüber und keine Drehungen gegen Widerstand. Diese Einschränkungen sind schmerzadaptiert – wenn es gut geht, erweitert man den Radius langsam. Die ersten 4–6 Wochen gilt: Keine Belastung (nicht heben, tragen, stützen) mit dem operierten Arm.
Nach etwa 6 Wochen wird ein Röntgenbild gemacht. Ist darauf ein guter knöcherner Verbund erkennbar (was oft der Fall ist, dank der Kompression durch die Platte), kann die Belastungssteigerung beginnen. Zunächst wird aktive Bewegung nun über 90° hinaus zugelassen und Kräftigungsübungen im schmerzfreien Bereich gestartet. Zwischen 6 und 12 Wochen erreicht der Patient in der Regel volle Beweglichkeit und kann die Muskeln wieder auf normales Maß trainieren. Ab etwa 12 Wochen (3 Monaten) darf, sofern alles stabil ist, wieder mit sportartspezifischem Training begonnen werden. Kontakt- und Kampfsport oder sehr belastende Armaktivitäten (z.B. schweres Krafttraining, Rugby) sollten aber erst nach etwa 4–6 Monaten voll aufgenommen werden, um wirklich sicherzugehen, dass der Knochen solide durchbaut ist.
Die Hautfäden werden nach 10–14 Tagen entfernt. Narbenpflege kann begonnen werden, um ein gutes kosmetisches Ergebnis zu fördern. Patientinnen und Patienten spüren die Platte oft als harten „Knochen“ oberhalb der Schulter – dies ist normal. Viele gewöhnen sich daran; bei sehr schlanken Personen kann die Platte allerdings stören (Reiben an der Haut).
Physiotherapie nach Schlüsselbein-OP fokussiert sich auf die Schulterbeweglichkeit: Anfangs passive Mobilisation (Therapeut bewegt den Arm), dann zunehmend aktiv. Auch die Schulterblattführung wird trainiert, da durch die Fraktur manchmal die Scapula leicht nach vorne kippte; man will die normale Haltung zurück. Kräftigung der Rotatorenmanschette und Schultergürtelmuskulatur folgt in Phase 2 (6–12 Wochen).
Nachsorge: Patientinnen und Patienten werden ambulant nach 2, 6 und 12 Wochen ungefähr kontrolliert mit Röntgen. Später, nach ~6–12 Monaten, wird oft das Entfernen der Metallplatte diskutiert. Bei jüngeren Patientinnen und Patienten wird die Platte häufig nach 1–2 Jahren wieder entfernt (die Knochenfestigkeit ist dann längst wiederhergestellt), um eventuell Reibung an Sehnen zu vermeiden und spätere Bruchrisiken am Plattenrand auszuschließen. Bei älteren Patienten kann man die Platte belassen, falls sie nicht stört, da ein erneuter Eingriff immer auch Risiko bedeutet. Hakenplatten werden fast immer nach 3–4 Monaten entfernt, weil sie sonst das Schulterdach reizen. Intramedulläre Drähte werden ebenfalls entfernt, oft nach 3–6 Monaten.
Ergebnisse: Die meisten operierten Claviculafrakturen heilen problemlos in der korrekten Stellung aus. Die Funktion der Schulter ist in aller Regel vollständig wiederherstellbar, sofern keine Begleitverletzungen (z.B. Plexusschäden) vorlagen. Die Patientinnen und Patienten berichten oft, dass sie schon früh wieder relativ beschwerdearm waren, im Vergleich zu früheren konservativen Therapien mit langen Verbandszeiten.
Mögliche Komplikationen nach OP sind Infektionen (selten, unter 1-2%), Hardware-Probleme (Schraubenlockerung, sehr selten – kann bei großer Belastung passieren, bevor Knochen heilt) oder Nicht-Heilung (Pseudarthrose, was mit stabiler Platte aber ungewöhnlich ist). Insgesamt reduzieren moderne Platten die Pseudarthrose-Rate erheblich, vor allem bei stark verschobenen Brüchen verglichen mit rein konservativer Therapie. Für den kleinen Anteil an Patientinnen und Patienten, bei denen trotz allem keine Heilung eintritt, gibt es dann Nachoperationsverfahren (z.B. Knochentransplantat und erneute Fixation).
Nachbehandlungstipp im Alltag: Die Patientinnen und Patienten sollten in den ersten Wochen vermeiden, den Arm aktiv über Schulterhöhe zu heben, nicht heben/tragen, und auch nachts evtl. in Rückenlage mit erhöhtem Oberkörper schlafen, weil Seitenlage auf der verletzten Seite schmerzhaft ist. Ein Kissen im Rücken kann vor unwillkürlichem Umdrehen schützen. Nach etwa 6 Wochen sind diese Vorsichtsmaßnahmen meist nicht mehr nötig.
Insgesamt ist bei der Claviculafraktur – ob konservativ oder operativ behandelt – die Prognose sehr gut. Das Schlüsselbein hat eine hervorragende Durchblutung, was die Heilung fördert. Nach 3–6 Monaten erreichen die allermeisten Patientinnen und Patienten wieder einen Zustand, in dem sie ihre Schulter normal einsetzen können. Ein kleiner Knochenvorsprung kann als Tastbefund bleiben, vor allem bei konservativer Therapie, aber funktionell stört das selten. Wichtig für Laien zu wissen: Ein leichtes „Knacken“ oder das Gefühl eines beweglichen Knochens in den ersten Wochen ist normal, weil der Bruch erst stabilisiert, dann verknöchert – das vergeht mit der Zeit. Geduld und konsequentes Befolgen der Therapieanweisungen sind der Schlüssel zu einer guten Heilung.
Fazit: Ellbogen-, Handgelenk- und Claviculafrakturen sind häufige Verletzungen in der Unfallchirurgie. Dank klarer Leitlinien (u.a. AWMF) und bewährter Klassifikationssysteme kann die Behandlung individuell und evidenzbasiert geplant werden. Entscheidend sind eine sorgfältige Diagnostik, die richtige Wahl zwischen konservativer und operativer Therapie je nach Frakturtyp und Patient, sowie eine engagierte Nachbehandlung. So lassen sich in den meisten Fällen exzellente funktionelle Resultate erzielen, und die Patientinnen und Patienten können in Alltag und Beruf rasch wieder aktiv werden.
Bitte beachten Sie: Der digitale Gesundheitslotse ersetzt keine ärztliche Diagnose, sondern dient lediglich zur ersten Orientierung!