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10 Fragen an ... Sigrun Ruck

Sigrun RuckStadtanzeiger Mosbach | Mit „10 Fragen an...“ stellen wir in loser Folge interessante Persönlichkeiten aus unserer Region vor. Heute befragen wir mit Sigrun Ruck eine treibende und federführende Kraft beim Auf- und Ausbau des Selbsthilfe–Netzwerks Neckar-Odenwald.

Als gelernte Gesundheits- und Krankenpflegerin mit siebzehnjähriger Intensivpflege-Erfahrung in Mosbach ist Frau Ruck seit den Anfängen im Jahr 2011 bis heute im Selbsthilfenetzwerk Neckar-Odenwald engagiert. Den Schwerpunkt ihres Berufslebens bildet die Leitung des Patienten-Informations-Zentrums an den Neckar-Odenwald-Kliniken am Standort Mosbach.

Redaktion: Was sehen Sie als wichtigste Aufgaben eines Selbsthilfenetzwerkes, und wie viele Selbsthilfegruppen sind inzwischen im Selbsthilfenetzwerk Neckar-Odenwald organsiert?

Sigrun Ruck: „Die wichtigste Aufgabe ist die Vermittlung von Ratsuchenden in die jeweiligen Gruppen. Für Betroffene brauchen wir niederschwellige Angebote, die Ihnen ohne langes Suchen in ihrer aktuellen Situation weiterhelfen können. Für die bestehenden Gruppen bedeutet das Selbsthilfenetzwerk eine hilfreiche Unterstützung. Sei es bei der Öffentlichkeitsarbeit, bei der Suche nach Referenten, der Antragstellung zu Fördergeldern, Unterstützung bei der Neugründung von Gruppen oder als Multiplikator bei Änderungen in der Selbsthilfearbeit. Es ist vielfältig und spannend, da jeder Tag etwas anderes mit sich bringt. Aktuell gibt es 52 Selbsthilfegruppen, die beim Selbsthilfenetzwerk gemeldet sind. Die Zahl variiert immer wieder, da Gruppen hinzukommen oder auch aufgelöst werden.“

Redaktion: Welches sind die Gruppen mit den meisten Mitgliedern? Und welches sind Ihres Erachtens die Gruppen, bei denen man am wenigsten erwarten würde, dass sie mit ihrem Thema zur Selbsthilfe zusammenfinden?

Sigrun Ruck: „.Das lässt sich so genau gar nicht sagen. Es kommen zu den einzelnen Treffen nicht immer alle Gruppenmitglieder. Es gibt kein Thema, das mich als Gegenstand der Selbsthilfe wundern würde. Die Menschen, die sich in den Gruppen zusammenfinden, haben meist ähnliche Probleme und möchten einen Austausch mit Gleichgesinnten. Hier erleben sie Vermittlung von Alltagskompetenzen im Umgang mit ihrer Erkrankung oder der eines Angehörigen. Diese Gemeinsamkeit stärkt. Es kommt nicht auf die Größe der Gruppe an. Auch eine Selbsthilfegruppe mit wenigen Teilnehmern ist für jeden einzelnen Betroffenen eine wichtige Sache.“

Redaktion: Wie groß ist erfahrungsgemäß die Zahl von Teilnehmern einer Gruppe, die regelmäßig zu Treffen kommen und aktiv helfen, die Gruppen zum Funktionieren zu bringen?

Sigrun Ruck: „Die Gruppengröße bei den Treffen ist immer abhängig davon, ob man sich zum gegenseitigen Austausch trifft, oder ob ein Referent eingeladen wurde, um das Wissen der Einzelnen durch Fachvorträge zu vertiefen. Die Vortragsthemen reichen von ‚Hilfsmittel‘ und ‚Medikamente‘ bis zu sozialen Fragen oder auch Erste-Hilfe-Kurse. Das ist ganz vielfältig und abhängig von dem, was die Gruppe bewegt und interessiert. Wie aktiv die Gruppenteilnehmer sind, hängt oft von dem Gesundheitszustand jedes einzelnen ab. Die meisten Mitglieder bringen sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten ein. In den Gruppen gibt es in der Regel zwei Ansprechpartner, die die Fäden zusammenhalten und sich Unterstützung aus der Gruppe organisieren, wenn es benötigt wird. Bei größeren Aktionen, wie zum Beispiel beim Selbsthilfetag, ist das der Fall. Dann braucht man zur Besetzung des Standes, zum Aufhängen von Plakaten oder ähnlichen Aufgaben die Unterstützung vieler Mitglieder.“

Redaktion: Wie würden Sie den Wandel hinsichtlich der Akzeptanz und Anerkennung von Selbsthilfegruppen beschreiben?

Sigrun Ruck: „Es ist schon wesentlich besser geworden, aber es bedeutet auch viel Arbeit, um einen festen Platz in der Öffentlichkeit zu erlangen. Wir sind im Neckar-Odenwald-Kreis auf einem guten Weg. Die Selbsthilfegruppen werden immer wieder auch von anderen Stellen für gemeinsame Veranstaltungen angefragt. So sind wir mit einem Vertreter auch in der Kommunalen Gesundheitskonferenz vertreten. Trotzdem hat die Selbsthilfe immer noch ein etwas angestaubtes Image. Viele wissen nicht, was Selbsthilfe leistet und wie ein Gruppentreffen abläuft. Manch einer meint, da sitzt man nur im Kreis und jammert über seine Erkrankung. Das ist aber gar nicht so. Die Teilnehmer tauschen sich über ihre persönliche Situation aus, geben Tipps und Ratschläge. Manchmal halten Referenten Vorträge, und oft unternehmen Gruppenmitglieder auch etwas gemeinsam, wie zum Beispiel Eis essen gehen. Der Erfahrungsaustausch gibt die Möglichkeit, zu erkennen, wie andere die Lebenssituation meistern. Es entstehen bisweilen Ideen, die zur Bewältigung der eignen Situation genutzt werden können. Deshalb braucht die Selbsthilfe eine Lobby und Öffentlichkeitsarbeit. Selbsthilfe stärkt im Umgang mit einer Erkrankung. Die Beteiligten fühlen sich gestärkt, erfahren einen Zuwachs an Selbstvertrauen, und dies führt zur Entfaltung eigener Fähigkeiten.“

Redaktion: Gibt es typische Hemmschwellen, die es erschweren oder verhindern, dass Betroffene sich an Selbsthilfegruppen wenden?

Sigrun Ruck: „Wenn ich mich als  Betroffener an eine Selbsthilfegruppe wende, dann muss ich mich ja zuallererst mit meiner Erkrankung oder Einschränkung auseinandersetzten und mir bewusst sein, dass ich Hilfe und Unterstützung benötige. Hier kommen manche Menschen einfach an ihre Grenzen und haben Probleme, sich diesbezüglich zu offenbaren. Die Teilnahme an einer Gruppe ist ja freiwillig, und dann muss ich es als Einzelner auch wollen.“

Redaktion: Wir würden Sie die wichtigsten oder häufigsten Elemente der Hilfe beschreiben, die Betroffene erfahrungsgemäß in und von Selbsthilfegruppen erfahren?

Sigrun Ruck: „Ein sehr wichtiges Element ist wohl das Erlebnis der Betroffenen, sich mit dem eigenen Sorgen und Nöten nicht alleine zu fühlen und andere Menschen zu erleben, denen es ähnlich geht. Von anderen Betroffenen fühlt man sich oft am besten verstanden und auch aufgefangen, wenn es einem einmal nicht so gut geht.“

Redaktion: Wie hat sich Ihrer Beobachtung nach das Verhältnis der Ärzteschaft zum Thema „Selbsthilfe“ entwickelt?

Sigrun Ruck: „Ich habe das Glück, dass sich mein Büro in der Klinik in Mosbach befindet und ich durch meine Tätigkeit als Krankenschwester dort viele der Ärzte kenne. Unsere Ärzte unterstützen die Selbsthilfegruppen in ihrer Arbeit durch Vorträge und vermitteln auch Patienten in die Gruppen.

Auch die niedergelassenen Ärzte stellen sich für Vorträge zur Verfügung, wenn sie Anfragen erhalten. Inwieweit die niedergelassenen Ärzte auch Patienten an das Selbsthilfenetzwerk oder in einzelne Gruppen vermitteln, weiß ich nicht. Hierzu wäre es hilfreich, wenn unser Flyer ‚Selbsthilfegruppen A-Z‘ bei den niedergelassenen Ärzten bekannt wäre und ausliegen würde. Einzelne Praxen fordern diesen Flyer regelmäßig bei mir an.“

Redaktion: Wie kamen Sie persönlich dazu, sich für das Thema „Selbsthilfe“ zu engagieren?

Sigrun Ruck: „Den ersten Kontakt hatte ich 2010, als in den Kliniken ein Selbsthilfetag stattfand und ich dort mitwirken durfte. Ich fand es spannend, positiv und offen, wie die Menschen mit ihrer Erkrankung umgingen. Da ich damals das Patienten-Informations-Zentrum aufgebaut hatte und dies als Anlaufstelle zu Fragen zum Thema Gesundheit für Patienten, Angehörige aber auch für jeden anderen dient, hat sich die Verbindung angeboten. 2011 ist dann die Zuständigkeit für die Selbsthilfegruppen vom Landratsamt an mich übergegangen. Seither haben wir viel bewegt und erreicht. Und mir wird bestimmt noch einiges einfallen. Die ehrenamtliche Tätigkeit der vielen Gruppen wird aber immer noch zu wenig wahrgenommen. Wenn von ‚Ehrenamt‘ gesprochen wird, denkt man nicht gleich an die Selbsthilfe. Dabei führen die Leitungen der Selbsthilfegruppen diese Gruppen ausnahmslos ehrenamtlich und unterstützten alle, die dort Rat suchen.“

Redaktion: Welche Aktivitäten/ Projekte sind durch das Selbsthilfenetzwerk und die Selbsthilfegruppen entstanden?

Sigrun Ruck: „Wir haben in den letzten Jahren wirklich viel auf die Beine gestellt, und hier muss ich den engagierten Gruppen wirklich meinen Dank aussprechen. Ohne die gute Zusammenarbeit und das Vertrauen, das mir die Gruppen entgegenbringen, wäre vieles nicht möglich gewesen. Dies zeigt sich zum Beispiel in unserer Wanderausstellung, die durch Herrn Haas von der Feierabendagentur ‚4u‘ zu etwas ganz Besonderem geworden ist. In der Ausstellung zeigen sich acht Personen aus der Selbsthilfe, die sich mit ihrer Erkrankung öffentlich auf großen Schwarz-weiß Bildern präsentieren und dabei mitteilen, was sie mit der Selbsthilfe verbindet. Die Ausstellung kann gemietet werden und ist schon oft angefragt worden. Sie war im Landratsamt, in den Neckar-Odenwald-Kliniken, im Psychiatrischen Zentrum Nordbaden, bei Krankenkassen und auf der Bundesgartenschau zu sehen. Weitere Ausstellungsorte folgen. Die Selbsthilfegruppen präsentieren sich alle zwei Jahre beim Selbsthilfetag und bei mehreren Veranstaltungen in der Region. Die Diabetes Selbsthilfegruppe Mosbach und das Selbsthilfenetzwerk haben in Kooperation mit der Kommunalen Gesundheitskonferenz eine Kampagne zum Thema Diabetes durchgeführt. Einzelne Selbsthilfegruppen beteiligen sich auch am Unterricht des Bildungsinstituts für Gesundheits- und Krankenpflege in Mosbach. Sie berichten dort über ihre Erkrankung und ihren Umgang damit. Unsere Aktivitäten fanden immer ein positives Feedback, auch über die Kreisgrenzen hinaus, und das steigert unsere Motivation, innerhalb der Selbsthilfegruppen und dem Organisationsteam immer neue Ideen umzusetzen.“

Redaktion: Wenn Sie in Arbeitspausen oder in sonstiger Freizeit Gelegenheit für einen Stadtbesuch in Mosbach haben. Was ist dann Ihre Lieblingsbeschäftigung?

Sigrun Ruck: „Ich gehe am liebsten samstags auf den Marktplatz und sehe dem Markttreiben zu. Besonders bei schönem Wetter ist das fast wie Urlaub.“

Quelle: Stadtanzeiger Mosbach | Serie: 10 Fragen an…

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